Die langsame Wendung in den arabischen Medien
Gelegentlich habe ich über Stellungsnahmen und Artikel aus arabischen Medien berichtet, die, statt Hass heute Vernunft und Verständigung predigen. Ich sah diese Artikel as seltene Ausnahmen aus der arabischen Welt, deren Autoren allerdings im Westen leben. Diese Sicht stimmt nicht mehr, vermehrt lese ich Aufrufe und bewundernde Erklärungen über die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge des Westen und ganz besonders Israels aus arabischer Feder. Es wird empfohlen, die Eigenschaften Israels nachzuahmen und sich statt auf Krieg, Hass, Terror und Neid zu konzentrieren, endlich einmal die arabische Gesellschaft aus ihren sozialen und religiösen Zwängen zu befreien, damit sie den Anschluss an den Rest der Welt nicht noch weiter verpasse und sich der fatale Abstand nicht noch weiter wachse. Es erwächst ein faszinierendes Bild von Intellektuellen, die, selbstverständlich im Auftrag ihrer Regierungen (ohne die in der totalitären arabischen Welt solches nie geschehen würde), sachte versuchen die arabische Welt des Hasses, der Gewalt, der Erfolglosigkeit, des Neides und religiösem Terror aus dieser Situation herauszuführen. Auch das ist ein Resultat der iranischen Bedrohung der arabisch-sunnitischen Welt, die von den Regierungen angstvoll wahrgenommen wird und zu hektischen Friedensouvertüren an Israel geführt hat. Wer sich noch immer ziert, statt die Ernsthaftigkeit arabischer Friedensabsichten zu testen, ist unsere wundervolle Regierung.
Hier drei Beispiele von zu positiveren Ansichten „mutierten“ arabischen Publizisten:
1. Im Daily Star aus Beirut (1.5.2007) schreibt Ziad Asali unter der Überschrift „Den Anderen in Palästina akzeptieren“. Ein Zionist ist er nicht, doch weiss er die kulturellen und politischen Unterschiede zwischen Israel und arabischen Staaten zu schätzen. Er erinnert sich an den Chirurgieprofessoren Dr. Abdel-Latif Yashruti, einem Flüchtling aus Haifa, der ihm, dem mit Schlagworten herumwerfenden arabischen Nationalisten sagte: „Schauen sie, ich verliess Haifa einmal und lebte in vielen anderen Orten, aber hier [Beirut] lebe ich gerne. Ich will nicht wieder Flüchtling werden“. Das war im Juni 1967, was aus dem Professor geworden ist, schreibt er nicht. Heute schreibt Ziad Asali, der Professor habe schon in 1967 verstanden, was er, Asali, erst heute erfasst habe.
Asali akzeptiert den Sieg Israels über seine Angreifer in 1948 und seine Sicht der Dinge wurde nach dem Sechstagekrieg in 1967 weiter vertieft. Er anerkennt den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besetzung, jedoch nur in legitimer Form, nicht in seinen, wie er schreibt, zutiefst illegitimen Perversion. Darunter verstehe ich Morde und Massenmorde ziviler Personen in den besetzten Gebieten und Israel selbst. Asali schreibt, dass die Palästinenser der besetzten Gebiete nicht verschwinden werden, eine Aussage, die ich in umgekehrter Form, früher öfter als heute, hörte: Wir Araber müssen mit den Juden zusammen leben, weil sie nicht verschwinden werden. Unter dem Strich ist das dieselbe Aussage mit identischem Ziel.
2. Unter dem Titel „Das Recht zur Rückkehr ist eine Illusion“ argumentiert der Saudi Kolumnist Yousef Nasser Al-Sweidan in der kuwaitischen Tageszeitung Al-Siyassa (5.3.2007) das Recht auf Rückkehr sei eine Idee, die nicht verwirklicht werden kann. Es sei absolut klar, dass die Entwurzelung der Nachkommen der Flüchtlinge aus ihren gegenwärtigen Heimatländern eine Utopie und ein klares Rezept zu Anarchie sei. Noch wichtiger ist seine Einsicht, dass diese Rückkehr eine grobe Verletzung von Israels Recht ist, ein eigenständiger Staat zu sein. Für Al-Sweidan ist das Flüchtlingsproblem das klare Resultat kumulierter Fehler der Länder, in den diese Flüchtlinge heute leben. Sie würden die Flüchtlinge isoliert in heruntergekommenen Lagern gehalten, in denen die grundlegendsten Bedingungen für ein Leben in Würde fehlen. Statt sie zu integrieren, werden sie isoliert. Sie seien von den Regierenden dieser Länder zu zwischenarabischen Abrechnungen missbraucht worden. In seinem zweiten Beitrag in dieser Zeitung (16.3.2007) findet er, dass diese Flüchtlinge nicht weitere sechzig Jahre im Elend verbringen dürfen. Sie müssten in ihren heutigen Heimatländern naturalisiert und integriert werden.
Al-Siyassa meint, dass die Behandlung religiöser Minderheiten in Saudi Arabien eine Schande für das Land sei. Man könne dazu nicht ohne schlechtes Gewissen schweigen. Ein Schiite, ein Ahmadi, andere Muslime, Christen oder Buddhisten erhalten unter den Gesetzen Israels weit mehr Schutz, als in Saudiarabien. Israel als Benchmark progressiver Araber!
3. Am 1. Januar 2007, drei Jahre nach Erscheinen der neuen arabischen Ausgabe der „Die Protokolle der Weisen von Zion“, diesem Prunkstück antisemitischer Lügenkunst, meldete sich der Grossmufti von Ägypten Dr. Ali Gomaa in der Tageszeitung „Al-Ahram“. Auf der Seite „Religiöse Gedanken“ (S. 13) schrieb distanziert er sich kategorisch davon, er habe das Vorwort zu diesem Buch geschrieben. Er nennt das Machwerk eine Fiktion, dessen Inhalt kein wahres Wort enthalte. Er könne sich nicht erinnern, so etwas getan zu haben, er habe erst später erfahren, dass jemand mit demselben Namen, Ali Gomaa, dies getan haben müsse. Er könne sich erinnern mit Dr. Abd al-Wahab al-Masiri, einem Fachmann für jüdische Studien, gesprochen zu haben, um zu beweisen, dass dieses Dokument oder Buch, keinerlei Wahrheit in sich habe – etwas, das er schon seit langem wisse. Nach Durchlesen dieses in schlechter Sprache geschriebenen Vorwortes habe er realisiert, dass er das Opfer einer kriminellen Tat geworden war, in dem in seinem Namen Lügen verbreitet worden seien. Er habe dem Verlag einen Brief geschrieben und verlangt, das Buch mit „seinem“ Vorwort zurückzuziehen und es ohne seinen Namen neu zu drucken. (!)
Zwar glaube ich kein Wort dieser umfassenden aber nicht sehr überzeugenden Darstellung und bin überzeugt davon, dass der Grossmufti einen Befehlt von „oben“ erhalten hat, sich öffentlich zu mässigen, weil es eben momentan nicht opportun sei, seinen Judenhass an die grosse Glocke zu hängen. Auch hier denke ich, dass sich die Mächtigen der arabischen Welt grosse Mühe geben, ihr antijüdisches Image zu verbessern und Israel den Eindruck zu vermitteln, sei seien wirklich bereit, mit ihm ein nachbarliches Verhältnis zu beginnen, das man in Deutsch am besten als „Friede Freude Eierkuchen“ bezeichnet.
Nur so nebenbei noch etwas nettes von Ali Gomaa: Scheich Ali Gomaa ist der oberste ägyptische Mufti. Als solcher hat er in einer Fatwa festgehalten, dass Frauen keine Leitungsfunktionen übernehmen dürfen. Frauen dürfen gemäß dieser Fatwa nicht Staatspräsidentin oder Ministerpräsidentin werden. Das verstösst angeblich gegen islamisches Gesetz. Immerhin: Frauen dürfen "einfache" Abgeordnete in einem Parlament werden - sofern es der Gatte gestattet und sofern sie es mit ihren Haushaltspflichten vereinbaren können. (Quelle: Daily Times 28. Januar und IOL 27. Januar 2007).